Hinweispflicht des Arbeitgebers auf drohenden Urlaubsverfall?

Muss der Arbeitgeber seine Angestellten über noch nicht genommenen Urlaub informieren bevor dieser am Ende des Jahres untergeht? Mit dieser Frage musste sich der Europäische Gerichtshof (EuGH Urt. v. 06.11.2018, Az.: C-619/16) auf eine Anfrage des OVG Berlin-Brandenburg beschäftigten. Mit weitreichenden Folgen für alle Arbeitgeber in Deutschland.

Was war geschehen?

Der Fall selbst betraf ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis im Rahmen der juristischen Ausbildung (Rechtsreferendariat). Die Entscheidung hat jedoch auch für normale Arbeitsverhältnisse Relevanz. Der klagende Rechtsreferendar hatte für das Jahr 2010 keinen Urlaub genommen. Das Referendariat endete nach erfolgreich bestandener Prüfung am 28.05.2010. Der Kläger verlangte nun finanzielle Abgeltung seines nicht genommenen Urlaubs. Dies lehnte das Land Berlin ab. Der Rechtsreferendar sei nicht gehindert gewesen, seinen Urlaub zu nehmen. Ihm sei der Urlaub auch aus betrieblichen Gründen möglich gewesen. Er habe es schlicht versäumt, einen Urlaubsantrag zu stellen.

Wie entschied das Gericht?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) gab dem klagenden Rechtsreferendar Recht. Der Arbeitgeber sei verpflichtet dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub auch nimmt. Diese Aufforderung ist konkret und völlig transparent zu erteilen. Erforderlichenfalls hat die Aufforderung auch förmlich zu erfolgen. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder am Ende des Arbeitsverhältnisses verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht nimmt. Allerdings braucht der Arbeitgeber seine Angestellten nicht zu zwingen, ihren Urlaub zu nehmen.

Der EuGH vertritt hierbei die Meinung, dass Arbeitnehmer als die schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses anzusehen sind. Aufgrund der schwächeren Position könnten Arbeitnehmer daher davon abgeschreckt werden, ihre Rechte gegenüber dem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen. Zudem verfolgen die gesetzlichen Urlaubsvorschriften einen Erholungszweck. Arbeitnehmer sollen sich durch den Urlaub erholen. Eine finanzielle Abgeltung kann daher niemals vorrangig sein.

Für die Praxis

Diese Rechtsprechung gilt für die Urlaubsgewährung vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sie gilt auch während des Arbeitsverhältnisses, wenn der Urlaub am Ende des Jahres ebenfalls unterzugehen droht. Der Arbeitgeber muss seine Arbeitnehmer rechtzeitig konkret auffordern, ihren Urlaub zu nehmen.

Der Arbeitnehmer darf nicht lediglich über die offenen Urlaubstage informiert werden. Erforderlich wird vielmehr ein nachhaltig formuliertes Aufforderungsschreiben sein. Rechtsprechung hierzu liegt jedenfalls noch nicht vor.

Die Aufforderung an die Arbeitnehmer muss zudem rechtzeitig erfolgen. Der Arbeitnehmer muss noch genügend Zeit haben, seinen Urlaub zu nehmen. Dies gilt zum Ende des Jahres unbedingt. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt es hingegen darauf an, wie viel Zeit dem Arbeitnehmer noch bleibt. Bei fristlosen Kündigungen erübrigt sich hingegen die Aufforderung natürlich.