Erhält ein Arbeitnehmer mehrfach freiwillige Leistungen vom Arbeitgeber (z.B. Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld etc.), soll hieraus zukünftig ein durchsetzbarer Anspruch auf diese Leistung entstehen. Dies wird von Arbeitnehmern und Arbeitgebern allgemein unter dem Begriff der „betrieblichen Übung“ verstanden. Die betriebliche Übung gibt es in der Rechtsprechung nun seit über 90 Jahren. Sie nahm ihren Beginn in der Entscheidung des Reichsarbeitsgerichts vom 15.06.1929 (RAG 180,29).
Ansprüche aus betrieblicher Übung sind grundsätzlich von vertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu unterscheiden.
Dauerhafte vertragliche Ansprüche können auch bereits durch entsprechende Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sofort entstehen (schriftlich, mündlich oder auch durch entsprechendes Verhalten (konkludent)).
Bsp.: Der Chef übergibt seinem Angestellten einen Umschlag mit 500,00 EUR und erklärt: „Ich will Ihnen nun jedes Jahr 500,00 EUR Weihnachtsgeld für Ihre guten Leistungen zahlen.“ Der Arbeitnehmer nimmt das Geld an und lächelt zufrieden und zustimmend. Damit wurde der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien konkludent abgeändert.
In der Praxis dürfte dieses Beispiel aber nur selten vorkommen. Zudem könnten hierdurch erheblichen Beweisschwierigkeiten für den Arbeitnehmer bestehen.
Die betriebliche Übung hingegen führt zu einem dauerhaften Anspruch auch ohne eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Hierfür ist es erforderlich, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wiederholt eine gleiche Leistung gewährt. Zudem musste der Arbeitnehmer hieraus schließen, dass er die Leistung auch zukünftig erhalten wird. Jedenfalls nach dreimaliger Gewährung soll ein künftiger Anspruch aus betriebliche Übung entstehen. Er kann aber auch bereits nach zweimaliger Gewährung entstehen (LAG Baden Württemberg, Urt. v. 21.10.2008, Az.: 22 Sa 35/08). Hierbei kommt es aber auf die einzelnen Umstände an.
Bsp.: Auf der Weihnachtsfeier verkündet der Chef, dass alle Mitarbeiter wegen des erfolgreichen Geschäftsjahres ein Weihnachtsgeld in Höhe von 500,00 EUR erhalten sollen. Hiernach wird an alle Mitarbeiter ein Betrag von 500,00 EUR auf deren Konto gezahlt. Auch in den folgenden zwei Jahren wird ein Betrag von 500,00 EUR an die Beschäftigten ausgezahlt.
Die betriebliche Übung soll das Vertrauen der Arbeitnehmer in den künftigen Erhalt der Leistung schützen. Der Arbeitnehmer, der auf die Leistung vertraut, arbeite in der Regel das ganze Jahr über mit höherer Motivation. Hierdurch würde der Arbeitgeber profitieren. Es wäre daher ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber die Vorteile dieser Motivation erhält, jedoch am Ende des Jahres die Leistung seinen Arbeitnehmer nicht gewährt.
Der Arbeitgeber kann das Entstehen der betrieblichen Übung verhindern, wenn er sich die Freiwilligkeit bei der Leistung vorbehält. Der Freiwilligkeitsvorbehalt muss immer wieder neu erklärt werden.
Bsp.: Auf der Weihnachtsfeier verkündet der Chef, dass alle Mitarbeiter wegen des erfolgreichen Geschäftsjahres einmalig ein Weihnachtsgeld in Höhe von 500,00 EUR erhalten sollen. Alle Mitarbeiter erhalten zudem eine schriftliche Information über das einmalige Weihnachtsgeld. Hiernach wird an alle Mitarbeiter ein Betrag von 500,00 EUR auf das Konto mit entsprechendem Buchungsvermerk gezahlt. Auch in den folgenden zwei Jahren wird entsprechend verfahren.
Bei neu eingestellten Arbeitnehmer muss zudem ausdrücklich erklärt werden, das eine etwaige vorhandene betriebliche Übung für diese nicht gelten soll.
Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht ist es nicht mehr möglich, durch eine gegenläufige betriebliche Übung (z. B. dreimalige Nichtzahlen der Leistung) eine einmal entstandene betriebliche Übung wieder zu beseitigen.
Bsp.: Der Arbeitgeber erklärt auf der Weihnachtsfeier, dass aufgrund der stagnierenden Geschäftslage kein Weihnachtsgeld ausgezahlt werden soll. Auch in den folgenden beiden Jahren wird entsprechend verfahren.
Eine einmal entstandene betriebliche Übung ist praktisch kaum mehr zu beseitigen!
Die einzigen praktischen Vorgehensweisen, um eine betriebliche Übung wieder zu beseitigen, sind die Änderungskündigung oder die Irrtumsanfechtung.