Arbeitsrecht Aktuell 2017 – Fortbildung

Als Fachanwälte sind wir verpflichtet, jährliche Fortbildungen zu absolvieren, um im gesamten Spektrum des Arbeitsrecht auf dem aktuellen Stand zu bleiben und auch zukünftige Entwicklungen besser im Blickfeld behalten zu können. Ich freue mich daher, heute mal wieder an einer tollen und lehrreichen Veranstaltung bei den Juristischen Fachseminaren in Frankfurt am Main im Spenerhaus teilgenommen zu haben. Die Dozenten waren Herr Rechtsanwalt Dietrich Boewer (Vors. Richter am Landesarbeitsgericht Düsseldorf a. D.) und Dr. Esko Horn (Vizepräsident des Arbeitsgerichts Hamburg).

Einige Interessante Fälle wurde besprochen:

  1. Ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer Urlaub zuzuteilen, damit dieser nicht am Ende des Jahres verfällt? Reicht es aus, dass der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer darauf hinweist, seinen Urlaub zu nehmen, da dieser sonst am Ende des Jahres verfällt? – Da diese Frage bis heute nicht abschließend geklärt ist, hat das BAG die Entscheidung dem EuGH zur Beantwortung vorgelegt. Nach deutschem Recht muss der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer nicht den Urlaub zuweisen. Der Arbeitnehmer ist hierfür selbst verantwortlich. Nimmt der Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht, geht der Anspruch in der Regel am 31.12. unter. Nach europäischem Recht könnte jedoch anders zu entscheiden sein, da der Arbeitgeber aus Gründen seiner Fürsorgepflicht verpflichtet sein könnte, notfalls einseitig den Urlaub festzusetzen. Die Entscheidung des EuGH steht noch aus.
  2. Das Arbeitsverhältnis kann während einer vereinbarten Probezeit grundsätzlich von beiden Seiten mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden. Wird jedoch im Arbeitsvertrag eine längere Kündigungsfrist vereinbart, ohne eindeutig darauf hinzuweisen dass diese erst nach dem Ablauf der Probezeit gelten soll, gilt diese Regelung bereits schon in der Probezeit. Bei der Gestaltung der Arbeitsverträge ist daher Vorsicht geboten.
  3. Wer in der Stellenanzeige jemanden für sein „junges dynamisches Team“ sucht, riskiert einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Der Arbeitgeber muss dann plötzlich beweisen, dass keine Diskriminierung vorlag, weil ein „alter“ Bewerber nicht eingestellt wurde. Hier wird meist die Umkehr der Beweislast zum Verhängnis des Arbeitgebers.
  4. Der vertragliche Arbeitsort konkretisiert sich nicht auf einen Standort, nur weil der Arbeitnehmer (hier eine Flugbegleiterin) jahrelang dort eingesetzt wurde.
  5. Es kommt vor, dass die Zusammenarbeit zwischen den Arbeitnehmer schlecht verläuft, weil die „Chemie nicht stimmt„. Die Belegschaft droht mit eigener Kündigung wenn dem anderen Arbeitnehmer nicht gekündigt wird. Unter strengen Voraussetzungen kann dies den Arbeitgeber dazu rechtfertigen, eine sog. Druckkündigung auszusprechen.
  6. Werden Beweise unter Verletzung von Grundrechten erhoben (bspw. verdeckte Videoüberwachung), kommt ein Sachvortragsverwertungsverbot in Betracht. Der Arbeitnehmer kommt damit nicht in die Verlegenheit, rechtswidrig erlangte Beweise wahrheitswidrig bestreiten müssen und einen Prozessbetrug zu begehen.
  7. Wenn der Arbeitnehmer seine Personalakte einsehen will, darf er seinen Anwalt jedenfalls dann nicht mitnehmen, wenn ihm erlaubt wurde, Kopie von dem Inhalt der Personalakte anzufertigen.
  8. Wer auf 2 Jahre mit ungewissem Ende dauerhaft erkrankt ist, kann eine Kündigung drohen. Auch wer mehr als 6 Wochen im Jahr erkrankt und der Betriebsablauf hierdurch gestört wird, kann eine Kündigung drohen. Wer in den letzten 3 Jahren mehr als 30 Tage mit unterschiedlichen Erkrankungen erkrankt war, kann eine Kündigung drohen. Wer dauerhaft seine Arbeitsleistung wegen einer Erkrankung nicht mehr erbringen kann, dem kann ebenfalls eine Kündigung drohen.
  9. Um den Arbeitgeber in Annahmeverzug zu setzen, sollte der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung direkt vor Ort anbieten. Ein schriftliches Angebot reicht u. U. nicht aus.