Schon während der Finanzkrise in den Jahren 2009 und 2010 wurde das Instrument der Kurzarbeit von einigen Unternehmen unrechtmäßig ausgeübt. In dieser Zeit hatten ca. 160.000 Unternehmen Kurzarbeit angemeldet. In der aktuellen Covid-19 Pandemie haben über 900.000 Unternehmen Kurzarbeit angemeldet. Von April 2020 bis Juni 2020 befanden sich in jedem Monat weit über 5 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Nicht jede Einführung von Kurzarbeit ist rechtswirksam erfolgt. Wurde Kurzarbeit rechtswidrig „angeordnet“, könnte den Arbeitnehmern ein Anspruch auf vollen Lohn zustehen.
Kurzarbeit ist die vorübergehende Kürzung der vertraglich vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit. Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Beschäftigung und auf volle Entlohnung entsprechend des im Arbeitsvertrag vereinbarten zeitlichen Umfanges. Durch die Kurzarbeit kann daher der Anspruch auf Beschäftigung und Entlohnung reduziert werden. Wenn die Kurzarbeit beendet wird, gilt wieder die im Arbeitsvertrag vereinbarte Regelung. Die Einführung von Kurzarbeit bedarf einer besonderen Rechtsgrundlage, z.B. im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag. Allein das „Direktionsrecht“ des Arbeitgebers ist kein geeignetes Instrument, um Kurzarbeit einzuführen.
Arbeitgeber können nicht kraft ihres Weisungsrechtes Kurzarbeit anordnen. Hierzu bedarf es einer rechtlichen Regelung. Diese kann sich im Arbeitsvertrag oder in einem Tarifvertrag befinden. Aber auch durch eine Betriebsvereinbarung können Arbeitnehmer in Kurzarbeit versetzt werden. Betriebsvereinbarungen werden zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat geschlossen. Durch Betriebsvereinbarung kann mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Kurzarbeit für die Arbeitnehmer eingeführt werden. Hierfür muss die Betriebsvereinbarung selbst aber bestimmte Voraussetzungen erfüllen.
Eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit muss die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten so deutlich regeln, dass diese für die Arbeitnehmer zuverlässig zu erkennen sind. Erforderlich sind mindestens
(BAG, Urteil vom 18. November 2015 – 5 AZR 491/14; Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 19. November 2014)
Wenn eine Betriebsvereinbarung diese Voraussetzungen nicht einhält, ist sie zu unbestimmt und damit unwirksam. In diesem Fall wäre die Kurzarbeit nicht rechtmäßig angeordnet.
In einem Fall wurde folgende Betriebsvereinbarung geschlossen:
„Heute am 13.06.2013 wurde zwischen unserem Betriebsrat und der Geschäftsleitung vereinbart, dass aufgrund der schlechten Auftragslage ab dem Monat Juni 2013 Kurzarbeit durchzuführen ist.“
Die näheren Einzelheiten sollten dann durch „Regelungsabreden“ zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat festgelegt werden. Diese Betriebsvereinbarung war jedoch zu unbestimmt. Die Details hätten nicht schlicht durch sog. „Regelungsbareden“ konkretisiert werden dürfen.
Auch im Arbeitsvertrag müssen die Regelungen zur Einführung von Kurzarbeit klar formuliert werden. Es muss jedenfalls eine Ankündigungsfrist für die Anordnung von Kurzarbeit geregelt sein. Die vertraglichen Regelungen sollen eine Ankündigungsfrist von fünf Arbeitstagen bis vier Wochen vorsehen. Die Anordnung von Kurzarbeit von einem auf den anderen Tag dürfte unwirksam sein. Im Arbeitsvertrag selbst müssen auch Begrenzungen des Umfanges der Kurzarbeit geregelt sein. Zudem müssen Maßgaben zur personellen Konkretisierung der Kurzarbeit aufstellt werden.
Eine Regelung im Arbeitsvertrag, wonach ohne weitere Konkretisierung „Kurzarbeit für den Betrieb, eine Betriebsabteilung oder einzelne Arbeitnehmer eingeführt“ werden kann, ist unwirksam.
Auch Regelungen zur Einführung von Kurzarbeit in Tarifverträgen können unwirksam sein. Sieht der Tarifvertrag eine einseitige Ermächtigung des Arbeitgebers zur Einführung von Kurzarbeit ohne weitere Konkretisierung vor, die die Regelung unwirksam.
Auch wenn eine Regelung zur Einführung von Kurzarbeit unwirksam ist, folgt nicht automatisch ein Anspruch auf den vollen Arbeitslohn.
Die massenhafte Einführung von Kurzarbeit während der Corona-Pandemie führt zwangsläufig zu Fehlern. Arbeitgeber können sich nicht darauf verlassen, dass ihre betriebliche Einführung von Kurzarbeit unumstößlich ist. Auch Arbeitnehmer können nicht darauf vertrauen, dass die Einführung von Kurzarbeit wirksam erfolgt ist. Die Folgen unwirksamer Vereinbarungen zur Einführung von Kurzarbeit können empfindliche Lohnforderungen sein.
Der rot markierte Text brachte die Vereinbarung zum Fall!
„§ 1 Beginn und Dauer
In der Zeit vom 11.03.2011 bis zum 31.12.2011 wird Kurzarbeit im ganzen Betrieb eingeführt.
§ 2 Geltungsbereich
Die Betriebsvereinbarung gilt für alle Beschäftigten im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Von der Kurzarbeit ausgenommen werden:
1. Auszubildende und Studierende in dualen Studiengängen
2. Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis während des Kurzarbeitszeitraums aufgrund Kündigung oder Aufhebungsvertrag endet
3. Schwangere Frauen und werdende Väter, die Elterngeld in Anspruch nehmen werden, und bei denen der Bezug von Kurzarbeitergeld in den Bemessungszeitraum des Elterngeldes gem. § 2 BEEG fallen wird
4. Geringfügige Beschäftigte
5. Arbeitnehmer, bei denen die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld nicht vorliegen (vergleiche § 172 SGB III).
6. Die Beschäftigten, die von der Geschäftsführung aufgrund ihrer Aufgabenstellung ausgenommen werden müssen.
§ 3 Ausfallzeiten
1. Die Kurzarbeit erfolgt flexibel und wird an den Arbeitsanfall in den jeweiligen Arbeitsbereichen angepasst. Die Planung erfolgt in den Abteilungen mit dem Vorgesetzten.
2. Die Kurzarbeitertage der Mitarbeiter werden von den Vorgesetzten in die Urlaubsplanungsdatei mindestens eine Woche im Voraus eingetragen, so dass Geschäftsleitung und Betriebsrat zeitnah Einsicht nehmen können.“