Versetzung an einen anderen Betriebsort?

Verfügt der Arbeitgeber über mehrere Betriebe kommt es gelegentlich dazu, dass Arbeitnehmer aufgefordert werden ihre Arbeitsleistung zukünftig an einem anderen Betriebsort zu erbringen. Liegen die Orte mehrere hundert Kilometer auseinander folgt der Versetzung nicht selten auch der Umzug. Doch wann darf der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer per Instruktion an einen anderen Betriebsort versetzen? Dies hatte das Hessisches Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 20.05.2016, Az.: 10 Sa 231/15 zu entscheiden.

Was war geschehen?

Der am 30. März 1962 geborener Kläger war bei der Beklagten als  „Metallbaumeister“ beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für das hessische Tischlerhandwerk, Bestattungs- und Montagegewerbe (MTV-Tischler) kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Im Arbeitsvertrag gibt es keine Bestimmung zum Beschäftigungsort. Der Kläger war am Standort in C beschäftigt. Daneben gibt es eine etwa 490 km entfernte Niederlassung in F bei Chemnitz in Sachsen. Neben dem Kläger wurde in C auch der Schlossergeselle D beschäftigt. Dieser ist im Oktober 1990 geboren und hat mit 16 Jahren seine Ausbildung bei der Beklagten begonnen. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er ab dem 1. November 2014 für mindestens zwei Jahre, gegebenenfalls auch länger, in die Niederlassung nach F versetzt werde. Hiergegen wehrte sich der Kläger mit Erfolg.

Um was geht es?

Grundlage ist die Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers. Dies folgt aus § 106 GewO. Hiernach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

Das Landesarbeitsgericht führte zunächst aus, dass einer örtlichen Versetzung durch den Arbeitsvertrag keine Grenzen gesetzt waren. Zwar war die Bekl. dort mit Anschrift in C genannt. Damit käme aber nicht zum Ausdruck, dass der Kläger auch nur in C eingesetzt werden könne. Der Arbeitsvertrag schränkte das Direktionsrecht des Bekl. daher nicht ein. Der Kläger könne sich zudem auch nicht darauf berufen, dass er doch über einen längeren Zeitraum nur in C beschäftigt wurde. Dies allein reiche nicht aus, ein besonderes Vertrauen bei dem Kläger hervorzurufen.

Das Gericht führt dann aus, dass die Ausübung der Direktionsrechts aber eine Interessenabwägung erfordere. Hierbei seien verfassungsrechtliche und gesetzlichen Wertentscheidungen einzubeziehen, Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung seien alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (vgl. BAG 28. August 2013 – 10 AZR 569/12 – Rn. 40, NZA-RR 2014, 181).

Mit anderen Worten: Alles was von den Parteien vorgetragen wird, wird in eine Waagschale geworfen und das Gericht prüft, zu welchen Gunsten die Waage ausschlägt. Hierbei gilt es also, das Gericht mit Argumenten zu überzeugen. Es gibt keine festen Regelung. Auch gibt es keine festen Regeln, welche Entfernung noch zumutbar ist und welche nicht. Es lässt sich daher nicht pauschal sagen, ob bspw. eine Versetzung von Flensburg nach München noch zumutbar ist oder nicht.

Im vorliegenden Fall erklärte dass Gericht weiterhin, dass auch eine Auswahl zwischen mehreren Arbeitnehmern erfolgen muss, wenn auch noch andere Kollegen alternativ versetzt werden könnten. Es darf nur der Arbeitnehmer versetzt werden, dessen Interessen weniger schutzwürdig sind. Dies traf im vorliegenden Fall den jüngeren Schlossergeselle D. Folgende Punkte sprachen für den Verbleib des Klägers in C:

  • Beschäftigung in C seit ca. 17,5 Jahren
  • Wohnort in örtlicher Nähe zu C.
  • Pendeln nach F nicht möglich.
  • Keine finanzielle Unterstützung für Umzug durch Bekl.
  • Lebensalter von 52 Jahren.
  • Pflege der pflegebedürftigen Mutter des Klägers.

Im Vergleich hierzu war D mit 24 Jahren jünger und nach Ansicht des Gerichtes flexibler in seiner Lebensgestaltung („Einem jüngeren Arbeitnehmer ist ein örtlicher Arbeitsplatzwechsel typischerweise eher zuzumuten als einem älteren Arbeitnehmer, der sich jahrelang auf eine bestimmte Tätigkeit eingestellt hat„). Zudem war D gleich qualifiziert für die Arbeit in F.

Der Bekl. hätte also eine „Sozialauswahl“ vornehmen müssen und statt dem Kläger den Gesellen D örtlich nach F versetzen müssen.

Die Entscheidung zeigt, dass alle Umstände in solchen Fällen vorgebracht werden müssen. Erst wenn dem Anwalt alles Umstände bekannt sind, kann er eine gute Prognose über die Risiken erstellen. Leider ist eine pauschale Beantwortung der Frage zur Zulässigkeit einer Versetzung gegenwärtig nicht möglich.