Staffelübergabe am Frankfurt Flughafen – Betriebsübergang oder Betriebsschließung

Was ist geschehen?

Am 11. Juli 2017 gab das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung bekannt, die Ausübung der Bodenabfertigungsdienste am Flughafen Frankfurt am Main an die die WISAG AG zu vergeben. Vorausgegangen war eine entsprechende Ausschreibung. Der bisherige Dienstleister Acciona Airport Services Frankfurt verliert damit einen Teil seines Tätigkeitsfeld am Frankfurter Flughafen. Aus der regionalen Presse ist zu lesen, dass für die meisten Arbeitnehmer von Acciona dieser Vorgang befremden auslöste und viele Beschäftigte um ihren Arbeitsplatz fürchten.

Der Hintergrund!

Rechtliche Grundlage für die Neuvergabe der Bodenabfertigungsdienste an die WISAG AG ist die Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15. Oktober 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft. Diese schreibt vor, dass die Dienstleister für Bodenabfertigungsdienste jeweils für die Dauer von höchstens sieben Jahren in einem besondere Auswahlverfahren ausgewählt werden. WARUM? Flughäfen haben seit Beginn an eine monopolistische Stellung. Daher hat die Europäische Union bereits im Jahr 1996 Maßnahmen ergriffen, um diese monopolistische Stellung der Flughäfen aufzubrechen. Hiervon sind und waren auch Bodenabfertigungsdienste betroffen. Es wurde erkannt, dass für die Erbringung von Bodenabfertigungsdienste ebenfalls häufig ein Monopol eines Anbieters bestand und dass die Mitgliedstaaten zudem als Mehrheitseigentümer der Flughäfen großen Einfluss hierauf ausübten. Daher wurde die o. g. Richtlinie erlassen, um den freien Wettbewerb anzukurbeln (vgl. Zur Liberalisierung der Flughafen-Bodendienste, Klaus-Heiner Röhl, Juni 2012).

Daher musste auch am Flughafen Frankfurt erneut eine Ausschreiben über die Erbringung von Bodenabfertigungsdienste durchgeführt werden. 1999, 2006 und 2013 wurde zugunsten der Acciona entschieden. Nachdem die WISAG 2013 Klage gegen das Auswahlverfahren einreichte, wurde die Konzession 2015 neu ausgeschrieben. Das neue Auswahlverfahren konnte der Konkurrenz-Dienstleister nun für sich entscheiden. (Flugrevue vom 14.08.2017).

Wie geht es weiter?

Für die Arbeitnehmer der Acciona Airport Services Frankfurt GmbH bedeutet dies, dass ihr Arbeitgeber Acciona nunmehr im Bereicht der Bodenabfertigungsdienste keine Arbeitsplätze mehr am Flughafen Frankfurt. Acciona bliebe somit nichts anderes übrig, als den Betriebsteil zu schließen und betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. Unwahrscheinlich, jedoch theoretisch möglich ist auch, dass die Arbeitsplätze im Rahmen eines Betriebsübergangs automatisch auf den neuen Anbieter übergehen könnten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die WISAG AG neue Arbeitsverträge mit den Beschäftigten schließt. Die WISAG AG hat letzteres bereits angekündigt.

Varianten

  1. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die WISAG AG eine große Zahl der Beschäftigten von Acciona neu einstellen. In diesem Fall werden voraussichtlich neue Arbeitsverträge mit den Beschäftigten geschlossen. Hierbei werden die Konditionen möglicherweise geändert. Acciona selbst müsste folglich betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Hierbei wären auf jeden Fall die ordentlichen Kündigungsfristen einzuhalten. Der Lohn muss in diesem Zeitraum weiter bezahlt werden. Theoretisch würde also das alte Arbeitsverhältnis enden und im Anschluss hieran unmittelbar ein neues Arbeitsverhältnis beginnen. Es ist jedoch möglich, dass es weitere Absprachen zwischen den Beteiligten gibt, um den Zeitraum der Kündigungsfristen bei Acciona zu umgehen. In jedem Fall kann sich nichts ändern, ohne dass der betroffene Arbeitnehmer der Änderung zustimmt! Ohne Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer ändert sich am Arbeitsvertrag nichts. Beschäftigte sollten daher sehr genau hinschauen, wenn sie etwas unterschreiben.
  2. Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht auszuschließen sein, dass es im Rahmen der Veränderungen zu betriebsbedingten Kündigungen durch Acciona kommen wird, ohne dass ein neuer Arbeitsvertrag mit WISAG geschlossen wird. Acciona wird hierbei voraussichtlich den Rechtsstandpunkt vertreten, dass der Arbeitsplatz am Flughafen Frankfurt weggefallen ist und es somit an einer weiteren Beschäftigungsmöglichkeit besteht. In diesem Fall wird die Frage zu klären sein, ob nicht eine Beschäftigung an weiteren Standpunkten möglich wäre. Beschäftigte müssen sich aber auf jeden Fall binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung entscheiden, ob Kündigungsschutzklage erhoben werden soll. Nach Ablauf dieser Frist wird die Kündigung als wirksam unterstellt.
  3. Mit eher geringer Wahrscheinlichkeit dürfte ein Betriebsübergang eintreten.Hierzu wäre es erforderlich, dass der Betrieb durch rechtsgeschäftlichen Übergang auf die WISAG AG übergegangen wäre. Erforderlich wäre zudem „die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit„. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht einen 7 Punkte umfassenden Katalog erarbeitet. Dieser muss (mehr oder weniger) erfüllt sein, damit ein Betriebsübergang vorliegt. Zudem muss eine Abgrenzung zur bloßen Funktionsnachfolge erfolgen. In seiner Entscheidung BAG Urteil vom 19.3.2015, Az.:  8 AZR 150/14 lehnte das Gericht in einem ähnlichen Fall einen Betriebsübergang ab. In dem entschiedenen Fall ging es ebenfalls darum, dass ein Auftrag (Zustelldienste) an einen neuen Unternehmer vergeben wurde.

Was bleibt?

Die nächsten Schritte sind für die Beschäftigten entscheidend. Die Belegschaft wird voraussichtlich im Falle einer „Übernahme“ durch die WISAG AG „neue Arbeitsverträge“ erhalten. Möglicherweise geschieht dies im Einvernehmen mit Acciona. Es ist aber auf jeden Fall erforderlich, dass der jeweilige Arbeitnehmer zustimmt. Ohne Zustimmung des Arbeitnehmers ändert sich nichts (abgesehen von einem Betriebsübergang oder einer betriebsbedingten Kündigung).

Daher sollten die Arbeitnehmer nunmehr sehr aufmerksam sein, wenn sie etwas unterzeichnen (dies sollte man ohnehin generell sein). Alle Änderungen sollten aufmerksam verfolgt werden (Gibt es Änderungen bei der Lohnabrechnung? Werden Lohnabrechnungen plötzlich von jemanden anderem ausgestellt? Wird der Arbeitnehmer plötzlich von der WISAG AG angeschrieben? Erhält der Arbeitnehmer doch ein Infoschreiben bzgl. eines Betriebsüberganges gem. § 613a BGB?)

Fristen

  1. Erfolgt ein Betriebsübergang, ist der Arbeitnehmer hiervon vor dem Übergang in Textform vom bisherige Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber zu unterrichten. Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.
  2. Wird das Arbeitsverhältnis gekündigt, muss innerhalb von 3 Wochen Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erhoben werden.