Kurzarbeit – Kein Automatismus!

470.000 Betriebe sollen nach Pressemeldungen aufgrund der Covid-19 Pandemie Kurzarbeit „angezeigt“ haben. Für den informierten Leser solcher Pressemitteilungen verfestigt sich in diesen Tagen zunehmend der Eindruck, dass Betriebe eigenhändig ihre Arbeitnehmer in Kurzarbeit schicken können. Es entsteht der falsche Eindruck,, dass Kurzarbeit beantragt werden kann und danach kraft staatlicher Regelungsbefugnis die Kurzarbeit für Arbeitnehmer durchgesetzt werden könne. Dies ist jedoch keineswegs der Fall!

 

Der Unterschied: Kurzarbeit vs. Kurzarbeitergeld

 

Wenn in der Presse davon gesprochen wird, dass Betriebe „Kurzarbeit“ bei der Arbeitsagentur anmelden, bedeutet dies meist nicht weniger, dass lediglich „Kurzarbeitergeld“ beantragt wird. Die Arbeitsagentur gewährt unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag Kurzarbeitergeld. (§§ 95 ff. SGB III) Eine Voraussetzung hierfür ist, dass in den Betrieben Kurzarbeit (=Reduzierung der Arbeitszeit) für mindestens 1/3 der Arbeitnehmer durchgesetzt wurde und diese Arbeitnehmer mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts einbüßen.

Voraussetzung für die Gewährung von Kurzarbeitergeld ist daher das in dem Betrieb Kurzarbeit durchgesetzt werden konnte. Konnte in dem Betrieb keine Kurzarbeit durchgesetzt werden, besteht auch kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Der Eindruck, dass Arbeitgeber bei der Arbeitsagentur „Kurzarbeit“ beantragen bzw. anmelden ist daher falsch. Es wird Kurzarbeitergeld für die Arbeitnehmer beantragt. Zuvor muss in den Betrieben jedoch u. a. Kurzarbeit durchgesetzt worden sein.

 

Wann müssen Arbeitnehmer in Kurzarbeit?

 

Grundsätzlich kann der Arbeitsvertrag ohne Zustimmung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht geändert werden. Hierzu zählt auch die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit. Enthält der Arbeitsvertrag keine Regelung zur Einführung von Kurzarbeit und gibt es keine Betriebsvereinbarung und keine tarifvertragliche Regelung, kann die Arbeitszeit nicht einseitig durch den Arbeitgeber reduziert werden.

Kurzarbeit ist in diesen Fällen daher nicht ohne Zustimmung der Arbeitnehmer möglich. In der Folge wird es auch kein Kurzarbeitergeld geben.

Enthält der Arbeitsvertrag eine Regelung zur Reduzierung der Arbeitszeit (Kurzarbeit) und ist die Klausel in dem Arbeitsvertrag auch wirksam vereinbart, kann der Arbeitgeber entsprechend der Regelung im Arbeitsvertrag die Arbeitszeit vorübergehend reduzieren. In der Folge enthält der Arbeitnehmer auch entsprechend weniger Lohn. Als Ausgleich für den Lohnausfall dient dann das „Kurzarbeitergeld“. Das Kurzarbeitergeld beträgt in der Regel 60 Prozent des Nettolohnausfalls.

 

Keine Regelung im Arbeitsvertrag

 

Enthält der Arbeitsvertrag keine wirksame Regelung zur Reduzierung der Arbeitszeit (= Kurzarbeit), kann der Arbeitgeber nur noch gemeinsam mit einem Betriebsrat (sofern vorhanden) durch eine Betriebsvereinbarung Kurzarbeit „einseitig“ anordnen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Die Betriebsvereinbarung reduziert dann zum Nachteil der Arbeitnehmer die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit. Eine solche Betriebsvereinbarung muss jedoch selbst wiederum wirksam sein. Dies ist nur der Fall, wenn die Betriebsvereinbarung selbst festgelegt, in welchem konkreten Zeitraum für welche betroffenen Arbeitnehmer in welchem konkreten Umfang die Arbeit wegen Kurzarbeit ausfallen soll.

Fehlt ein Betriebsrat oder kommt eine Betriebsvereinbarung nicht zustande, kann ggf. durch einen gültigen Tarifvertrag die Einführung von Kurzarbeit möglich sein. Damit der Tarifvertrag gilt, muss der Arbeitnehmer Gewerkschaftsmitglied sein oder im Arbeitsvertrag wird der Tarifvertrag für anwendbar erklärt.

Darüber hinaus besteht nur noch die Möglichkeit im Rahmen einer Massenentlassung nach dem Kündigungsschutzgesetz Kurzarbeit anzuordnen. Dies stellt jedoch eine Ausnahme dar.

 

Kann der Arbeitnehmer Kurzarbeit verweigern?

 

Gibt es weder eine Betriebsvereinbarung, noch einen Tarifvertrag und fehlt es an einer Regelung im Arbeitsvertrag, muss der Arbeitnehmer einer Verkürzung seiner Arbeitszeit (= Kurzarbeit) nicht zustimmen. Der Arbeitnehmer muss in diesen Fällen keinen Lohnverzicht hinnehmen. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf seine volle Lohnzahlung. Der Arbeitgeber hat somit keine Möglichkeit, einseitig „Kurzarbeit“ anzuordnen.

Allerdings könnte der Arbeitgeber bei einer Weigerung eine betriebsbedingte Kündigung oder eine Änderungskündigung aussprechen. Der Arbeitnehmer könnte hiergegen wiederum Kündigungsschutzklage binnen 3 Wochen erheben und eine fehlerhafte Sozialauswahl rügen oder sogar unter bestimmten Umständen einen Wiedereinstellungsanspruch geltend machen, wenn das Gerichtsverfahren länger als die Covid-19 Krise andauert. Denn es muss damit gerechnet werden, dass nach der Krise Arbeitsplätze wieder neu besetzt werden.

 

Fazit:

 

Der Eindruck, dass Arbeitgeber allein durch einen Antrag bei der Arbeitsagentur „Kurzarbeit“ durchsetzen können, ist falsch. Zunächst muss der Arbeitgeber die Arbeitszeit für 1/3 der Beschäftigten bei einer Verringerung des Lohns um 10 Prozent in seinem Betrieb reduzieren können. Erst wenn dies möglich ist, kann Kurzarbeitergeld beantragt werden. Dieses wiederum hängt von weiteren Voraussetzungen ab. Der Erfolg des Antrages ist daher nicht gewiss.

Für Arbeitnehmer, die einer Reduzierung ihrer Arbeitszeit zugestimmt haben, können hierdurch erhebliche finanzielle Verluste entstehen. Aber auch für Arbeitgeber können bei einer Ablehnung Verluste entstehen, wenn sie in der Folge ihre Arbeitnehmer trotz Arbeitszeitreduzierung voll bezahlen müssen.