Der Gesetzgeber hat zwischenzeitlich eine sog. „einrichtungsbezogene Impfflicht“ eingeführt. Hierzu wurde das Infektionsschutzgesetz (IfSG) durch einen § 20a IfSG ergänzt. Hiernach müssen alle Personen einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen, die in einer der im Gesetz aufgelisteten Einrichtung tätig sind. Dies gilt insbesondere für alle Arbeitnehmer solcher Einrichtungen. Auf die berufliche Tätigkeit (Arzt, Krankenschwester, Bürokraft) des Arbeitnehmers kommt es nicht an.
Nach dem Gesetz müssen alle Arbeitnehmer ab dem
entweder geimpft oder genesen sein.
https://www.gesetze-im-internet.de/schausnahmv/__2.html
Geimpft ist, wer im Besitz eines auf ihn ausgestellten Impfnachweises nach der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung ist. Genesen ist, wer im Besitz eines auf ihn ausgestellten Genesenennachweis nach der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung ist.
Ausgenommen sind nur solche Arbeitnehmer, die aufgrund gesundheitlicher Gründe nicht gegen Covid-19 geimpft werden können.
Betroffen sind aller Arbeitnehmer,
2. Personen, die in voll- oder teilstationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder in vergleichbaren Einrichtungen tätig sind,
3. Personen, die in ambulanten Pflegediensten und weiteren Unternehmen, die den in Nummer 2 genannten Einrichtungen vergleichbare Dienstleistungen im ambulanten Bereich anbieten, tätig sind; zu diesen Unternehmen gehören insbesondere:
Nach dem Gesetz dürfen Arbeitnehmer in den genannten Einrichtungen von ihrem Arbeitgeber nicht mehr beschäftigt werden. Der Arbeitnehmer kann damit seine vertragliche Arbeitsleistung nicht mehr erbringen. Der Grund für Arbeitsunfähigkeit liegt daher „in der Person des Arbeitnehmers“. Die Situation ist somit mit folgenden Arbeitsunfähigkeiten vergleichbar:
Der Arbeitgeber ist also nun an einer Beschäftigung der Arbeitnehmer gehindert.
Aus dem Arbeitsvertrag entstehen gegenseitige Leistungspflichten. Der Arbeitnehmer muss eine Arbeitsleistung erbringen. Im Gegenzug muss der Arbeitgeber den Arbeitslohn bezahlen.
Ein Arbeitnehmer verliert seinen Anspruch auf Arbeitslohn, wenn er seine Arbeitsleistung nicht mehr anbieten kann. Ab dem 15.03.2022 riskieren alle Arbeitnehmer daher ihren Anspruch auf Lohnzahlung, wenn sie keinen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen können. Es gilt dann der arbeitsrechtliche Grundsatz
Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob eine Kündigung rechtswirksam drohen kann.
Kleinbetriebe – Kein Kündigungsschutz
Für Arbeitnehmer in kleinen Betrieben (mehr als 10 Vollzeitangestellte) dürfte das Kündigungsrisiko erheblich ansteigen. Denn dort besteht kein Kündigungsschutz. Die Prüfung der Rechtsmäßigkeit der Kündigung beschränkt sich auf formelle Fehler.
Großbetrieb – Kündigungsschutz
In größeren Unternehmen muss hingegen stets geprüft werden, ob die Kündigung „sozial gerechtfertigt“ ist. Hier muss das Kündigungsschutzgesetz beachtet werden. Es wird daher eine Abwägung der Interessen vorgenommen werden müssen. Eine Kündigung wäre hiernach voraussichtlich rechtswidrig, wenn es eine mildere Alternative zur Kündigung gibt. Als Alternativen kommen in Betracht:
Wenn es außer der unbezahlten Freistellung keine Alternative gibt, wird eine Kündigung mit fortlaufender Zeit wahrscheinlicher. Dem Arbeitgeber dürfte es nicht zumutbar sein, ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit ruhen zu lassen. Denn in dieser Zeit müsste stets Ersatz beschafft werden. Dies ist durch befristete Arbeitsverträge auch nur zeitlich begrenzt möglich.
Es können gegenwärtig gute Argumente gegen eine Kündigung vorgebracht werden. Die fehlende Lohnzahlung für eine ungewisse Dauer dürfte für Arbeitnehmer aber nicht weniger schwerwiegend sein.
Wird eine Kündigung innerhalb von drei Wochen vor dem Arbeitsgericht angegriffen (Kündigungsschutzklage), muss das Arbeitsgericht die Wirksamkeit der Kündigung prüfen. Dabei werden in Betrieben mit mehr als 10 Vollzeitarbeitnehmern voraussichtlich zwei Prüfungsschritte relevant:
Der erste Prüfungsschritt behandelt eine von den Arbeitsgerichten typische arbeitsrechtliche Frage. Die Prüfung dürfte die Arbeitsgerichte vor keinen großen Schwierigkeiten stellen. Das Ergebnis hängt sehr stark vom konkreten Fall ab.
Hingegen behandelt der zweite Prüfungsschrift Fragen der Grundrechte. Das Arbeitsgericht wird hier auf Seiten der Arbeitnehmer folgende Grundrecht berücksichtigen müssen:
Auf Seiten des Arbeitgebers und der behandelten Patienten sind aber auch Grundrecht abzuwägen:
Das Arbeitsgericht wird deswegen all diese aufeinander stoßenden Grundrecht abwägen und in einen Ausgleich bringen müssen.
Folglich muss das Gericht dann entscheiden, ob die einrichtungsbezogene Impfpflicht verfassungswidrig ist. Ist sie es, ist auch die Kündigung rechtswidrig.
Der Anspruch auf Lohn hängt auch von der Rechtmäßigkeit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Der Arbeitnehmer wird aber bis zur Entscheidung über diese Frage rückwirkend keinen Lohnanspruch von seinem Arbeitgeber verlangen können.
Es muss damit gerechnet, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht durch die Gerichte als rechtmäßig eingestuft wird. Dennoch kann eine Kündigung auch unabhängig hiervon rechtswidrig sein. Hier kommt es auf den Einzelfall an. In Kleinbetrieben (weniger als 11 Vollzeitarbeitnehmer) dürfte eine Kündigungsschutzklage nur wenig Aussicht auf Erfolg haben. Daher dürften dürften weiterhin nur formelle Fehler der Kündigung eine Rolle spielen.
Das Lohnrisiko ist mithin die größte Hürde. Arbeitnehmer müssen sich darauf einstellen, dass sie bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage keinen Anspruch auf Lohn haben.