Führt die Kritik an Betriebsratsbewerber zu Anfechtung der Betriebsratswahl?

Nicht immer verstehen sich Arbeitgeber und Betriebsräte. Vor der Wahl eines neuen Betriebsrates graut es daher manchen Arbeitgeber vor dem Wahlergebnis und den hierauf folgenden vier Jahren. Dies veranlasst manchen Arbeitgeber dazu, sich ebenfalls zu den zur Wahl gestellten Betriebsräten zu äußern und seine Meinung kund zu geben. So auch in einem Fall, den das Bundesarbeitsgericht am 25. Oktober 2017 zu entscheiden hatte (Az.: 7 ABR 10/16).

Was war geschehen:

Die Antragsteller haben in dem Verfahren vorgetragen, die Geschäftsleitung habe versucht, den Ausgang der Wahl in unzulässiger Weise zu beeinflussen, indem die Arbeit der damaligen Betriebsratsvorsitzenden öffentlich diskreditiert worden sei. Der Personalleiter habe geäußert, dass die Betriebsratsvorsitzende S die Arbeit des Unternehmens behindere. Auf die Frage eines Mitarbeiters, was man da unternehmen könne, habe der Personalleiter geantwortet, er rege an, bei der im kommenden Jahr stattfindenden Betriebsratswahl eine „gescheite Liste“ aufzustellen. Der Geschäftsführer äußerste sich öffentlich geeignete Mitarbeiter des Unternehmens für einen neuen Betriebsrat zu suchen. Der Personalleiter sprach Beschäftigte an und fragte sie, ob sie sich zur Wahl stellen und ggf. den Betriebsratsvorsitz übernehmen wollten. Er äußerte sich zudem dadurch, dass jeder, der Frau S seine Stimme bei der Betriebsratswahl gebe, begehe „Verrat“. Die Intervention der Geschäftsleitung habe zur Gründung einer weiteren Liste geführt und damit entscheidenden Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt.

Die Wahl des neuen Betriebsrates wurde hierauf hin angefochten.

Was sagten die Gerichte?

Das Landesarbeitsgericht Hessen (Beschl. v. 12.11.2015 Az.: 9 TaBV 44/15) vertrat die Auffassung, dass der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen eine Neutralitätspflicht hat. Dagegen verstößt er, wenn er in Mitarbeiterversammlungen die Arbeitnehmer in Verbindung mit deutlicher Kritik am Verhalten des Betriebsrats zur Aufstellung alternativer Listen auffordert und äußert, wer die Betriebsratsvorsitzende bzw. den Betriebsrat wiederwähle, begehe Verrat am Unternehmen.

Das Bundesarbeitsgericht sah dies anders. Es orientierte sich wortgetreu an die Vorschrift § 20 Abs. 2 BetrVG. Hiernach darf niemand die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen. Nachteile sind vorliegend weder zugefügt noch angedroht worden. Es sind auch keine Versprechen von Vorteilen gewährt worden, wie etwa finanzielle oder logistische Unterstützung.  Das Gericht erklärt, dass § 20 Abs. 2 BetrVG nicht vor jeglicher Kritik schützt. Ein striktes Neutralitätsgebot geht aus der Norm nicht hervor. § 20 BetrVG schützt zwar eine Betriebsratswal vor unzulässiger Beeinflussung. Aber nur innerhalb des Wortlautes. Und eine darin enthaltene Beeinflussung liegt vorliegend nicht vor. Daher kann die Wahl aufgrund der Meinungsäußerung des Arbeitgebers nicht angefochten werden.

Wie ist das Urteil für die Praxis zu verstehen?

In dem Urteil ging es ausschließlich darum, ob die Betriebsratswahl anfechtbar war. Dies wäre nur der Fall gewesen, wenn die Voraussetzungen von § 20 Abs2 BetrVG erfüllt gewesen wären. Dies war aber nicht der Fall. Eine Anfechtung war daher wegen der kritischen Äußerung über den bestehenden Betriebsrat oder einzelner seiner Mitglieder im Hinblick auf eine zukünftige Wahl nicht möglich. Damit eine Anfechtung der Betriebsratswahl möglich ist, müssen gem. § 19 Abs. 1 BetrVG wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verletzt worden sein. § 20 BetrVG ist ein solche Vorschrift. Aber der Tatbestand der Norm war nicht erfüllt.

Das BAG musste in dem Fall nicht entscheiden, ob der Arbeitgeber gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen hat (§2 BetrVG). Denn diese Norm ist keine wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren. Eine Verletzung dieser Norm kann nicht zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führen.