Corona – Kein Lohn bei Betriebsschließung oder Umsatzeinbrüchen?

Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer stellen sich im Zusammenhang mit der Covid-19 (Corona)-Pandemie viele Fragen zu Lohnzahlungen, Entgeltfortzahlungen oder Entschädigungsansprüchen gegenüber Behörden. Gerade bei Betriebsschließungen oder Umsatzeinbrüchen stellt sich die Frage, ob der Arbeitslohn weiter gezahlt werden muss. Hier könnte eine alte Rechtsprechungslinie des Bundesarbeitsgeichts nun für Sprengstoff sorgen. Können Arbeitnehmer nicht beschäftigt werden und führt die gleichzeitige volle Weiterzahlung des Lohn zu einer Existenzgefährdung, wird der Arbeitgeber hiernach von der Pflicht zur Lohnzahlung befreit. Diese Rechtsprechung scheint bisher aus dem Fokus gerückt zu sein, ermöglicht es jedoch womöglich, dass Arbeitgeber in Zeiten der Covid-19 Pandemie unter bestimmten Umständen keinen Annahmeverzugslohn zahlen müssen. Wie ist diese Rechtsprechung insgesamt einzuordnen?

Erkrankung des Arbeitnehmers

Erkrankt der Arbeitnehmer an Covid-19 (Coronavirus) ist der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung gem. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz für 6 Wochen verpflichtet. Voraussetzung hierfür ist die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Insofern unterscheidet sich dieser Fall nicht von einer normalen Erkrankung.

Bei Arbeitsunfähigkeit wegen einer Coronaerkrankung erhält der Arbeitgeber keine Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz. Selbst wenn der Arbeitnehmer in Quarantäne gehen muss und dort erkrankt, muss der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung leisten und erhält keine Entschädigung.

Arbeitgeber gesund, aber in Quarantäne

Vielfach bleibt eine Covid-19 Erkrankung symptomfrei oder es treten nur leichte Krankheitssymptome auf. Grundsätzlich besteht wie bei einer leichten Grippe in solchen Fällen keine Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeitnehmer darf daher nicht zu Hause bleiben und muss zur Arbeit erscheinen. Kommt es jedoch zu einer behördlichen Quarantäneanweisung erhält der Arbeitnehmer nach dem Infektionsschutzgesetz seinen Lohn erstattet. Obwohl es sich hierbei um eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz handelt, muss der Arbeitgeber die Entschädigung 6 Wochen für die zuständige Behörde an den Arbeitnehmer auszahlen. Der Arbeitgeber zahlt in diesen Fällen somit quasi den Lohn, obwohl der Arbeitnehmer nicht krank ist und seine Arbeitsleistung erbringen könnte.

Arbeitgeber können in solchen Fall einen Antrag auf Erstattung stellen. Der Antrag ist innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder dem Ende der Absonderung bei der zuständigen Behörde zu stellen. Die Frist beginnt also bereits mit dem ersten Tag der angeordneten Quarantäne an zu laufen. Hier ist daher Eile geboten! Stellt der Arbeitgeber keinen Erstattungsantrag, zahlt er am Ende den Lohn für die Zeit der Quarantäne.

Arbeitnehmer gesund – aber Kind zu Hause

Vielfach gibt es tarifvertragliche Regelungen, die bei einer Erkrankung von Kindern eine Freistellung von der Arbeit bei gleichzeitiger Lohnfortzahlung vorsehen. Bestehen solche Regelung jedoch nicht, bestand bisher in Fällen wie der Corona-Pandemie kein Anspruch auf Lohnfortzahlung gem. § 615 BGB. Der Arbeitnehmer war jedoch auch nicht verpflichtet, zur Arbeit zu erscheinen, da ein Fall der sog. Unmöglichkeit (§ 275 BGB) vorliegt. Insoweit kann auf mein Artikel zu diesem Thema vom 15.03.2020 verwiesen werden.

Der Gesetzgeber hat jedoch im Zuge der Corona-Pandemie das Infektionsschutzgesetz geändert und in § 56 einen neuen Absatz 1a eingefügt. Hiernach haben Arbeitnehmer nunmehr auch einen Anspruch auf Entschädigung für die Zeit der unvermeidbaren Kinderbetreuung. Für 6 Wochen muss der Arbeitgeber die Entschädigung in Höhe von 67 Prozent des Verdienstausfalles zahlen. Maximal aber nur 2.016,00 € für einen vollen Monat.

Arbeitgeber können sich die gezahlt Entschädigung jedoch wiederholen. Auch die Zahlungen zur Renten- und Krankenversicherung werden erstattet. Hierzu ist  jedoch ein Antrag erforderlich. Dieser muss innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder dem Ende der Absonderung bei der zuständigen Behörde gestellt werden. Arbeitgeber müssen hier also auf die Überholspur wechseln, wenn sie nicht auf den Kosten sitzen bleiben wollen.

Betriebsschließungen und Umsatzeinbrüche wegen behördlicher Verfügungen

Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber gem. § 615 BGB das sogenannte Betriebsrisiko. Dies bedeutet, dass er seine Arbeitnehmer grundsätzlich bezahlen muss, auch wenn er seine Arbeitnehmer nicht beschäftigen darf oder kann. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Betriebe wegen der Corona-Krise gegenwärtig nicht mehr oder nur noch eingeschränkt öffnen dürfen. Aber auch wenn Kunden aus Angst wegbleiben und der Beschäftigungsbedarf hierdurch weg fällt, muss der Arbeitslohn grundsätzlich wegen § 615 BGB weiter gezahlt werden. Der Arbeitgeber trägt somit sein Betriebsrisiko. Zwar könnte der Arbeitsvertrag in diesen Fällen wegen betriebsbedingter Gründe gekündigt werden. Allerdings muss bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist der Lohn vollständig gezahlt werden. Dies unabhängig davon, ob Arbeitnehmer beschäftigt werden können oder nicht.

Keine Entschädigung nach IfSG

Ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz dürfte hierbei in vielen Fällen nicht in Betracht kommen. Insbesondere kommt eine Entschädigung nach § 56 IfSG nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift können nämlich nur Individuen eine Entschädigung verlangen, wenn sie als „Ausscheider„, „Ansteckungsverdächtiger„, „Krankheitsverdächtiger“ oder als „sonstiger Träger von Krankheitserregern“ gelten. In der gegenwärtigen Krise werden Betrieb aber nicht geschlossen, weil sie selbst das Virus verbeiten.

Aber auch eine Entschädigung nach § 65 IfSG scheidet aus. Hiernach werden Entschädigungen nur für Maßnahmen nach §§ 16 und 17 IfSG erbracht. Die Landsregierungen stützen ihre aktuellen Maßnahmen jedoch auf die Grundlage von § 28 Abs. 1 IfSG.  Hierfür regelt § 65 IfSG jedoch keinen Entschädigungsanspruch. Arbeitgeber haben daher außer den bereitgestellten Soforthilfen aufgrund der gegenwärtigen Rechtslage keinen Entschädigungsanspruch für Umsatzeinbußen oder Lohnzahlungen bei Nichtbeschäftigung.

Daher tragen Arbeitgeber gegenwärtig ihr Betriebsrisiko ganz allein. Können Arbeitgeber ihr Beschäftigten aufgrund der Krise nicht mehr beschäftigten, müssen die Löhne dennoch weitergezahlt werden. Man sprich in diesem Fall von dem sogenannten Annahmeverzugslohn. Der Arbeitgeber kommt mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug. Dennoch muss er den Lohn in diesen Fällen weiterzahlen. Im Ergbnis wird somit Lohn ohne Gegenleistung gezahlt.

Betriebsbedingte Kündigung dürften dem Arbeitgeber ebenfalls nur bedingt weiterhelfen, da bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist der vertraglich vereinbarte Lohn weiter gezahlt werden muss.

Ausnahme: Keine Annahmeverzugslohn bei Existenzgefährdung?

(1 AZR 338/55 -> 5 AZR 282/62 -> 6 AZR 853/93).

Im Jahr 1957 hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung 1 AZR 338/55 angedeutet, dass die Pflicht zur Lohnweiterzahlung dann nicht besteht, wenn „das den Betriebsstillstand herbeiführende Ereignis den Betrieb so schwer trifft, dass bei Zahlung der vollen Löhne die Existenz des Betriebes gefährdet würde.

In seiner Entscheidung vom 30. Mai 1963 (Az.: 5 AZR 282/62) erklärte das Bundesarbeitsgericht erneut, dass das „Grundprinzip des Betriebsrisikos (…) vornehmlich dann nicht zur Anwendung [gelangt], wenn die Unmöglichkeit der Beschäftigung auf das Verhalten der Arbeitnehmer zurückzuführen ist oder das die Betriebsstörung herbeiführende Ereignis den Betrieb wirtschaftlich so schwer trifft, daß bei Zahlung der vollen Löhne die Existenz des Betriebes gefährdet würde.

Zuletzt am 23.06.1994 (Az.: 6 AZR 853/93) bestätigte das Bundesarbeitsgericht, dass die Weiterzahlung des Lohnes dann nicht in Betracht kommt, wenn die Unmöglichkeit der Beschäftigung auf das Verhalten der Arbeitnehmer zurückzuführen ist oder das die Betriebsstörung herbeiführende Ereignis den Betrieb wirtschaftlich so schwer trifft, daß bei Zahlung der vollen Löhne die Existenz des Betriebes gefährdet würde.

In keinem der genannten Fälle kam es damals jedoch auf den Umstand einer Existenzgefährdung an. Es liegen erkennbar bis heute auch keine anderen Urteile von Arbeitsgericht vor, welche aufgrund Existenzgefährdung einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn versagten. Bisher kam es auch niemals verbreitet zu solchen Auswirkungen wie durch die Corona-Krise.

Man wird das Bundesarbeitsgericht jedoch nach 26 Jahren beim Wort nehmen müssen. In der aktuellen Corona-Pandemie stellt sich daher nunmehr soweit ersichtlich erstmalig die Frage, ob Arbeitgeber im Falle einer existenzgefährdenden Krise keinen Lohn mehr zahlen müssen, wenn die Zahlung des vollen Lohns zu einer Existenzgefährdung führt.

Gerade bei Kleinbetrieben, die gegenwärtig geschlossen sind oder einen erheblichen Rückgang des Beschäftigungsbedarfs zu verzeichnen haben, lässt es die Rechtsprechnung daher zu, die Lohnzahlungen einzustellen, um den Betrieb zu retten.

Für die Praxis

Kommt es aufgrund der aktuellen Pandemie zu Auftragsrückgängen und können Arbeitnehmer deswegen nicht mehr beschäftigt werden, könnte eine Pflicht zur weiteren Lohnzahlung gleichzeitg wegfallen.

Voraussetzung ist, dass durch die volle Lohnzahlung eine Existenzgefährdung des Betriebes eintritt. Dies muss nachweisbar sein. Es stellt sich daher zunächst die Frage, welche laufenden Kosten mühelos eingestellt werden können. Erst wenn keine Einsparungen mehr möglich sind und durch die weiteren Lohnzahlungen der Betrieb dauerhaft in eine existenzgefährende Schieflage geraten würde, könnte die Lohnzahlungen ebenfalls eingestellt werden. Es wäre hierbei noch zu prüfen, ob der bereits durch eine Teil-Zahlungseinstellung der Betriebs aus einer existenzgefährdenden Lage gebracht werden kann.