Auf Du und Du – Duz-Zwang in der Bäckerei

Auf Du und Du zu Kollegen und Kunden

Eine aktuelle Pressemitteilung (hessenschau.de) berichtet Anfang Dezember 2017, dass eine hessische Bäckerei ihren Angestellten untereinander und zu den Kunden das „DU“ auferlegte. Laut Pressemitteilung müssen die Angestellten neue Namensschilder mit dem Schriftzug „Es bedient Dich gerne“, gefolgt vom Vor- und Nachnamen der Angestellten, tragen. Dabei war noch bis vor kurzem das „Sie“ der normale Umgangston in der Bäckerei. Der Geschäftsführer begründet hiernach seine Entscheidung damit, dass sich die Umgangsformen in Deutschland geändert hätten. Diesem Trend passt man sich also an. Damit sind jedoch offensichtlich nicht alle Angestellten einverstanden.

Eine genauere Recherche ergab, dass ein solcher Fall nicht neu ist. Bereits am 29.07.1998 entschied das Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) (Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 29. Juli 1998 – 14 Sa 1145/98) in einem ähnlichen Fall, dass ein Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf hat, dass der Arbeitgeber die anderen Mitarbeiter im Betrieb auffordert, ihn zu siezen, wenn das Duzen unter den Beschäftigten zu den allgemeinen betrieblichen Umgangsformen gehört.

Was war geschehen?

In dem Fall des Landesarbeitsgerichts Hamm ging es um ein Bekleidungsgeschäft. Im Rahmen eines Betriebsübergangs wurde ein Bekleidungsgeschäft von einem schwedischen Bekleidungshandelsunternehmen übernommen. Der neue Eigentümer H……….. & M……… legte im Umgang der Mitarbeiter und Vorgesetzten untereinander Wert auf einen betont kollegialen Stil und den Abbau von Hierarchien. Sämtliche Belegschaftsmitglieder duzen sich in dem übernehmenden Unternehmen untereinander. In der Folgezeit wurde der dienstliche Umgang der Mitarbeiter untereinander auf die Anrede mit Vornamen und „Du“ umgestellt. Diesem fügte sich auch der klagende Arbeitnehmer über 22 Monate. Nach 22 Monaten änderte der Kläger jedoch seine Meinung und verlangte von der Unternehmensleitung auf die Mitarbeiter dahingehend einzuwirken, dass diese in fortan wieder siezen sollen.

Die Entscheidung

Zu Unrecht! Der Kläger verlor in erster und in zweiter Instanz. Das Berufungsgericht (Landesarbeitsgericht Hamm) entschied, dass der Kläger nicht verlangen könne, dass die Unternehmensleitung auf die anderen Mitarbeiter dahingehend einwirke, dass diese ihn fortan wieder siezen sollten.

Der klagende Arbeitnehmer hat zwar in Deutschland als Erwachsener grundsätzlich ein Selbstbestimmungsrecht um darüber zu entscheiden oder er gesiezt oder geduzt werden will. Aber auch dieses Selbstbestimmungsrecht unterliege in Deutschland Grenzen. Denn sobald jemand sich in einer bestimmten Gruppe  bewegt, in der andere Gebräuche üblich sind, hat er sich diesen anzupassen („Das Selbstbestimmungsrecht unterliegt unterschiedlichsten Gebräuchen, die im jeweiligen Beziehungskreis des Betroffenen üblich sind“). Das heißt, der Arbeitnehmer kann nicht generell und überall verlangen, gesiezt zu werden. Als Beispiel nennt das Gericht Gewerkschaften, Bauarbeiter oder Sportler in einer Gemeinschaft. Dort spreche man sich beispielsweise üblicherweise mit Du an. Bewege sich der Arbeitnehmer in diesen Kreisen, könne er nicht verlangen, geziezt zu werden.

Allerdings erkennt das Gericht auch an, dass im Angestelltenbereich ein allgemeines Duzen von Kollegen und Vorgesetzten nicht üblich ist. So war dies im Fall auch vor dem Betriebsübergang üblich. Aber der Kläger habe über 22 Monate die neuen Gepflogenheiten hingenommen. Zudem hatten die andern Angestellten sich zwischenzeitlich an die neuen Umgangsformen gewöhnt und diese verinnerlicht. Der klagende Arbeitnehmer könne daher nun nicht mehr verlangen, dass wieder zu den alten Umgangsformen zurückgekehrt werden muss. Denn dann würde nun ebenfalls wieder in das Anrede-Selbstbestimmungsrecht der anderen Belegschaftsmitglieder eingegriffen werden.

 

Die Praxis

Der entschiedene Fall ist sehr speziell und im Ergebnis nicht auf den Fall der Bäckerei übertragbar. Die Entscheidung stützt sich allein darauf, dass der klagende Arbeitnehmer über 22 Monate hinweg ohne Widerrede die neuen Umgangsformen akzeptiert hat und diese sich zwischenzeitlich auch bei den Kollegen eingespielt hatte. Da die Angestellten nicht von den Kunden geduzt wurden, ist die Entscheidung auch insoweit nicht auf den aktuellen Fall zu übertragen. Dies soll aber bei dem aktuellen Fall in der Bäckerei geschehen.

Will ein Arbeitnehmer solche Änderung also nicht akzeptieren, müsste er sofort handeln. Denn er hat im deutschen Kulturkreis als erwachsenes Individuum ein Selbstbestimmungsrecht, zu wählen, in welcher Weise es angeredet werden will. Entgegen der Ansicht des Geschäftsführer kann m. E. auch nicht davon ausgegangen werden, dass es zwischenzeitlich in Deutschland üblich ist, dass sich Kollegen untereinander Duzen oder gar Kunden die Beschäftigten mit Du ansprechen! Der Fall des Landesarbeitsgerichts Hamm spielte zudem in einem Bekleidungsgeschäft, welches nach außen ein junges und „hippes“ Image pflegt. Eine Bäckerei dürfte kaum ein ähnliches Image nach außen haben oder pflegen wollen. Dort geht es eben nicht um Mode, sondern vielmehr um das tägliche Brot.