Arbeit auf Abruf – Ist das zulässig?

Arbeitgeber wünschen häufig maximale Flexibilität in den Arbeitsverträgen. Der Gesetzgeber will hingegen dauerhafte und sichere Vollzeitbeschäftigungen. Dem Wunsch nach Flexibilisierung von Arbeitgebern sind daher vielfach rechtliche Grenzen gesetzt.

Rechtliche Grenzen finden sich z.B. bei der Zulässigkeit von Befristungsvereinbarungen, Kündigungen oder Lohnvereinbarungen.

Um Nachteile zu vermeiden, müssen die gesetzlichen Bedingungen bei jeder Gestaltung eines Arbeitsvertrages eingehalten werden.

Was ist „Arbeit auf Abruf“?

Wurde Arbeit auf Abruf vereinbart, hat der Arbeitnehmer entsprechend des Arbeitsanfalles beim Arbeitgeber seine Arbeitsleistung anzubieten. Nur die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung wird dann auch entlohnt. In der Regel wartet der Arbeitnehmer auf einen entsprechenden Einsatz seines Arbeitgebers und erscheint nach einer entsprechenden Zuteilung auf der Arbeitsstelle. Dies hat zur Folge, dass der monatliche Arbeitslohn des Arbeitnehmers starken Schwankungen ausgesetzt ist.

Im Gegensatz zur Arbeit auf Abruf leistet der Arbeitnehmer bei einer Vollzeitvereinbarung seine Arbeit nach festen Arbeitszeiten. Für den Arbeitnehmer spielt es dann keine Rolle, ob er in dieser Zeit beschäftigt werden kann oder nicht. Der Arbeitnehmer erhält immer seinen Arbeitslohn.

Es ist allerdings nicht möglich, dass die wöchentlich abgerufene Arbeitszeit im Arbeitsvertrag völlig offen gelassen und somit in das Belieben des Arbeitgebers gestellt wird. Soweit Arbeitgeber daher die Meinung vertreten, dass über Wochen hinweg keine Arbeit vorhanden war und daher auch keine Entlohnung zu Erfolgen braucht, ist dies nicht richtig und mit der Rechtslage nicht vereinbar.

Häufig Lücken im Arbeitsvertrag!

Regelmäßig sucht man in Arbeitsverträgen vergeblich nach der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitszeit. Teilweise ist dort lediglich geregelt, dass der Arbeitnehmer auf Abruf seine Arbeitszeit zu erbringen hat. Für den Arbeitnehmer stellt sich damit nicht selten im Konfliktfall die Frage, welchen Lohnanspruch er gegen seinen Arbeitgeber geltend machen kann. Kann Lohn verlangt werden, auch wenn der Arbeitnehmer nur ungenügend zur Arbeit „abgerufen“ wurden. Der Arbeitgeber wird im Zweifelsfalle eine Lohnzahlung mit dem Argument ablehnen wollen, dass nicht genügend Arbeit zur Verfügung stand.

Zunächst ist zu prüfen, welche Regelungen über die Arbeitszeit Arbeitnehmer und Arbeitgeber treffen wollten. Denn auch ohne schriftlichen Abreden könnte durch mündliche Absprachen oder aufgrund der näheren Umstände eine Vereinbarung über die Arbeitszeit getroffen worden sein. So könnte auch ohne schriftliche Vereinbarung eine Vollzeitbeschäftigung von Beginn an von beiden Seiten aus gewollt gewesen sein. Aber auch eine ganz bestimmte Wochenstundenarbeitszeit könnte mündlich oder aufgrund der Umstände rechtsverbindlich vereinbart worden sein. Wurde eine solche Vereinbarung getroffen, schuldet der Arbeitgeber entsprechend dieser Vereinbarung die Lohnzahlung, egal ob genügend Arbeit zur Verfügung stand oder nicht. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall regelmäßig einen Anspruch auf Entlohnung der vereinbarten Arbeitszeit.

Führt die Suche am Ende jedoch tatsächlich zu dem Ergebnis, dass nur eine „Arbeit auf Abruf“ vereinbart wurde, müssen nun die strengen rechtlichen Rahmenbedingungen hierzu beachtet werden. Bei Verstößen hiergegen, drohen empfindliche Nachzahlungen von Lohn!

Die gesetzlichen Grenzen der „Arbeit auf Abruf“

Das Gesetz schreibt vor, dass die Dauer der wöchentlichen und der täglichen Arbeitszeit geregelt sein müssen. Es ist auch möglich, dass eine wöchentliche Mindestarbeitszeit oder eine wöchentliche Höchstarbeitszeit im Arbeitsvertrag vereinbart wird. Im Arbeitsvertrag dürfen diese Frage nicht offen bleiben. Denn fehlt eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag, tritt eine gesetzliche Vereinbarung an die offen gebliebene Regelung.

Fehlen einer wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit

Fehlt es an einer Regelung zur wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit, gilt eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. Der Arbeitnehmer hat dann einen Anspruch auf entsprechende Lohnzahlung, auch wenn seine Arbeitskraft nicht abgerufen wurde. Zudem gilt eine tägliche Arbeitszeit von drei aufeinanderfolgenden Stunden als vereinbart. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber pro Tag mindestens drei aufeinanderfolgende Stunden bezahlen muss, gleichgültig ob er seinen Arbeitnehmer in der ganzen Zeit beschäftig hat oder nicht.

Ohne Vereinbarung ist es daher nicht möglich, dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nur für weniger als 3 Stunden kommen lässt und auch nur entsprechend bezahlt.

Rechtlichen Folgen einer Höchstarbeitszeit oder Mindestarbeitszeit

Wurde eine Höchstarbeitszeit im Rahmen einer Arbeit auf Abruf vereinbart, darf der Arbeitgeber nur maximal 20 Prozent weniger in der Woche abrufen. Beschäftigt der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer daher in der Woche tatsächlich weniger als 20 Prozent der vereinbarten Höchstarbeitszeit, muss er dennoch den Lohn in Höhe des entsprechenden Umfangs bezahlen.

Bsp. Wurde ein wöchentliche Höchstarbeitszeit von 10 Stunden vereinbart, muss der Arbeitgeber immer mindestens 8 Stunden pro Woche (= 20 Prozent) bezahlen. Auch wenn er den Arbeitnehmer nur 4 Stunden beschäftigt hat.

Wurde hingegen eine Mindestarbeitszeit im Rahmen einer Arbeit auf Abruf vereinbart, darf der Arbeitgeber in der Woche seinen Arbeitnehmer nur maximal 25 Prozent über der vereinbarten Mindestarbeitszeit einsetzen. Einen weiteren Anspruch auf Anwesenheit hat der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer dann nicht.

Bsp. Wurde eine Mindestarbeitszeit von 10 Stunden in der Woche vereinbart, müssen Arbeitnehmer in der Woche höchstens nur 12,5 Stunden erscheinen (= 25 Prozent). Erscheinen Arbeitnehmer darüber hinaus nicht, stellt dies keine Pflichtverletzung dar.

Praktische Folgen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Fehlt es an entsprechenden Vereinbarung im Arbeitsvertrag, können Arbeitnehmer unter Umständen Lohnzahlungen in beträchtlicher Höhe fordern, auch wenn ihre Arbeitskraft nicht abgerufen wurde. Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen ist es nicht möglich, die wöchentlich abgerufene Arbeitszeit in das freie Ermessen des Arbeitgebers zu legen.

Für Arbeitgeber ergibt sich zudem das weitere Problem, dass durch eine fehlende vertragliche Vereinbarung plötzlich keine geringfügige Beschäftigung mehr vorliegt und damit der Verlust von sozialversicherungsrechtlichen Privilegien droht. Denn nach dem Gesetzt gilt bei einer fehlenden Vereinbarung eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. Somit bestünde ein Arbeitsvertrag von 80 Stunden im Monat, was einem Monatslohn von ca. 795,85 EUR entspricht (Mindestlohn 2019). Damit wäre aber die monatliche Einkommensgrenze nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV überschritten (EUR 450,00).

Weniger ist nicht mehr!

Soll Arbeit auf Abruf vereinbart werden, dürfen keine Lücken im Arbeitsvertrag verbleiben! Fehlende Regelungen führen in der Regel zu erheblichen Nachteilen und Risiken für Arbeitgeber. Entweder gilt plötzlich eine Vollzeitstelle als vereinbart oder eine Arbeitszeit von 20 Stunden.